Die menschliche Erkenntnisfähigkeit in der ätherischen Welt
Dornach, 22. April 1923
Zusammenfassung von Joachim Heppner
In den vorangehenden Vorträgen ist versucht worden, so Rudolf Steiner, die menschliche Wesenheit in ihrer Gliederung nach physischem Leib, ätherischem Leib, astralischem Leib und Ich, in dem Zusammenhang mit dem Universum zu betrachten.
Der physische Leib hängt mit der physischen der Erdenumgebung zusammen. Der ätherische Leib hängt mit den Kräften zusammen, die aus der Weltenperipherie herein auf die Erde wirken. (Wir können hierbei an die Sternenwelt denken.) Der astralische Leib aber gehört einer Welt an, die wir nach dem Tode betreten. Damit ist er aus dem räumlichen und auch aus dem zeitlichen Zusammenhang der Erdenumgebung heraus. Das Ich aber gehört einer Strömung an, die durch Welten zwischen dem Tode und einer neuen Geburt hindurchgeht, durch Welten, die dreigliedrig sind, wie unsere Welt auch dreigliedrig ist in physischer, ätherischer und astralischer Welt.
Welche dreigliedrigen Welten es sind, durch welche das Ich hindurchgeht, lässt Rudolf Steiner hier offen, wir dürfen aber an die Welt der Hierarchien denken.
Diejenigen Wahrnehmungs- und Erkenntniskräfte des Menschen, die in die ätherische Welt oder astralische Welt führen, werden infolge des aktiven Denkens entwickelt.
Die ätherische Welt wird zugänglich durch die imaginative Erkenntnis. Durch sie nehmen wir in dem aktiven lebendigen Denken unseren eigenen Äther- oder Bildekräfteleib war. Erleben wir diesen als zweiten Menschen, dann offenbart sich in Bildern auch die Welt der Angeloi, Archangeloi und Archai.
Rudolf Steiner spricht hier von einer flutenden Bilderwelt. Diese Wesenheiten erscheinen in Qualitäten, die wir auch durch die Sinneswelt kennen. Es sind dies aber nicht Qualitäten, die an den Dingen erscheinen, wie die Farbe oder Töne, Wärme oder Kälte, sondern die Qualitäten der Farbe Fluten durch die Zeit. Rudolf Steiner spricht von einer flutenden Farbenwolke ein Farborganismus in der Zeit, den man geistig seelisch wahrnimmt und in dem deutlich wird, dass er zu einer Wesenheit gehört.
In derselben Qualität erscheint auch unser eigenes Lebenstableau, von dem schon gesprochen worden ist, und die Wesenheit, die dahinter erkennbar wird, sind wir selbst in unserem höheren Ich.
Zitat: Betrachten wir diese Welt, in der uns die dritte Hierarchie erscheint, dann haben wir nicht an den Dingen haftende Farben, nicht von den Dingen her klingende Töne und so weiter, sondern wir haben, man kann nicht einmal sagen, durch den Raum, sondern in der Zeit flutende Farben, flutende Töne, vibrierendes Warmes und Kaltes. Das ist nicht über die Oberfläche der Dinge hingespannt*, was farbig ist, sondern das fluktuiert, das wellt. Nur weiß man einfach durch diejenigen Kräfte, durch die man sich in diese Welten versetzt hat, dass ebenso, wie man in der physischen Welt hinter dem Farbigen etwas Materielles vermutet, dass, wenn man irgendeine flutende Farbenwolke, einen flutenden, man kann schon sagen, Farbenorganismus in dieser Welt erblickt, darinnen ein Geistig-Seelisches waltet und webt, das zur dritten Hierarchie gehört. In dem Augenblicke also, wo dem Menschen jenes Lebenstableau erscheint, von dem ich gesprochen habe, das anschaulich zeigt, wie in einem Momente überschaubar, was wir durchlebt haben seit unserer Geburt, in diesem Augenblick lebt auch in dieser Strömung unserer eigenen Lebensereignisse drinnen dasjenige, von dem man sagen kann: Innerhalb der von der Materie freigewordenen flutenden Farben-, Tonwelt und so weiter, lebt nun die dritte Hierarchie.
Zitat: Für die Ätherwelt wird das innerlich lebendige Denken eine Art Tastorgan. Mit dem innerlich lebendigen Denken berühren wir diese flutende Farbenwelt und so weiter. Wir dürfen uns nicht vorstellen, dass das so ist, dass wir das Rot so ähnlich sehen, wie wir das Rot der Sinne sehen, das über die Dinge hingespannt ist, gewissermaßen mit einem Auge sehen, sondern wir spüren, berühren Rot und Gelb und so weiter. Wir berühren die Töne. So dass wir sagen können: In der Ätherwelt ist das lebendige Denken Berührung dessen, was in der Welt der dritten Hierarchie lebt.
Kommen wir dann in die Welt hinein, der unser eigener astralischer Leib gewissermaßen angehört, so können wir nicht mehr von dieser astralischen Welt sagen, dass wir sie nur berühren, sondern wir müssen sagen: Diese Welt verstehen wir als Offenbarung der Wesen der zweiten Hierarchie. Jede einzelne Äußerung verstehen wir als ein Glied, als einen Teil des Weltenlogos. Durch das tiefe Schweigen kommt die Sprache der Geistwesen. Also nach der Berührung die Sprache, die Mitteilung.
Kann das Erkenntnisvermögen die Wirklichkeit des Astralischen wahrnehmen, aus dem Schweigen der Seele heraus, dann betreten wir die Welt der zweiten Hierarchie, Exusiai, Dynamis und Kyriotetes. Es wurde zuvor als der Weltenlogos bezeichnet.
Diese Welt erscheint nun nicht in der Berührung der flutenden Farben, sondern wird erlebbar in einzelnen Bedeutungen.
Zitat: Kommen wir dann in die Welt hinein, der unser eigener astralischer Leib gewissermaßen angehört, so können wir nicht mehr von dieser astralischen Welt sagen, dass wir sie nur berühren, sondern wir müssen sagen: Diese Welt verstehen wir als Offenbarung der Wesen der zweiten Hierarchie. Jede einzelne Äußerung verstehen wir als ein Glied, als einen Teil des Weltenlogos. Durch das tiefe Schweigen kommt die Sprache der Geistwesen. Also nach der Berührung die Sprache, die Mitteilung.
In der höheren Geistwelt erleben wir die Wirklichkeit des Ich, das von einem Leben durch den Tod zu einem neuen Leben geht. Unser Erden-Ich erleben wir da höchstens wie eine Erinnerung, denn das Erden-Ich ist an die physische Welt gebunden.
Zitat: Ich schaue zunächst wirklich mein lebendes wahres Ich wie ein fremdes fernes Wesen. Und ich erkenne mich wieder in diesem mir zunächst erscheinenden gleichsam fremden Wesen.
In diesem Satze müsste eigentlich jedes Wort ganz intensiv genommen werden, denn jedes einzelne Wort hat in diesem Satze eine ganz besondere Wichtigkeit. Zu dem ganzen Erleben gehört es, dass man sich aus der Wahrnehmung des eigenen Ich wie eines zunächst Fremden durchringt dazu, dass man sich sagt: Das, was dir da zunächst als Fremdes erschienen war, das bist du ja selbst. Dir ist es so erschienen, als ob in ferner Vergangenheit ein anderes Wesen gelebt hätte, aber du bist es ja selbst.
Und dann wird man gewahr, wie dieses Selbst eben hergeströmt ist vom vorigen Erdendasein in dieses Erdenleben herein, wie es aber jetzt gewissermaßen in diesem Erdenleben zugedeckt ist, und nur erscheinen würde, wenn all die Ereignisse, die zwischen dem Einschlafen und Aufwachen vorkommen, vor die Menschenseele hintreten würden. Da drinnen webt und lebt weiter dasjenige, was aus dem vorigen Erdenleben, durch Astral- und Ätherwelt durchströmend, bis zu uns gelangt ist.
Sehen Sie, es liegt eine Welt von irdischen Widersprüchen und himmlischen Einklängen in diesem Sich-durchringen: Irdische Widersprüche so, dass man durch alles dasjenige, was man zunächst für das alltägliche Leben hier auf Erden hat, im Grunde genommen an dieses eigene wahre Ich nicht herangelangen kann.
Ich würde es auch auf folgendes beziehen: Im irdischen Ich fühlen wir uns sicher und haben unser Selbstbewusstsein, aber es ist eigentlich ein Schein, ein Spiegelbild des höheren Ich. In dem höheren Ich sehen wir etwas Fremdes und unbekanntes, aber es ist unser eigentliches Wesen unser eigentliches Sein.
Wir bedürfen der unbedingten Selbstlosigkeit, um diese Welt des höheren Ich zu erleben, aber auch schon in der Bemühung um das Erleben der ätherischen Welt und der astralischen Welt sind wir zur Selbstlosigkeit gezwungen. Die Kraft der Liebe im Erden-Ich führt uns auf diesem Weg.
Zitat: Diese Liebe muss so gesteigert werden, dass der Mensch fähig wird, durch die Steigerung der Liebe die Ätherwelt und die Astralwelt wahrzunehmen…
Die Liebe muss so stark werden, dass man lernt, dieses Ich der Erde zu übersehen, es zu vergessen, nicht mehr achtend auf es hinzuschauen. Liebe ist das Aufgehen des eigenen Wesens in dem anderen…
Das wahre Ich will nicht gesucht sein, wenn es erscheinen soll, wenn es sich offenbaren soll; und es verbirgt sich, wenn es gesucht wird. Denn es wird nur in der Liebe gefunden. Und Liebe ist Hingabe des eigenen Wesens an das fremde Wesen. Daher muss das wahre Ich wie ein fremdes Wesen gefunden werden.
Und in demselben Augenblicke, in dem man eintritt in dieses Ansichtigwerden des eigenen wahren Ichs, wird man zugleich ansichtig dessen, was nunmehr in einer weiteren Welt lebt, in der eigentlichen Geistwelt. Man trifft zusammen mit den Wesen der ersten Hierarchie: Seraphime, Cherubime, Throne.
Berührung, Sprache und Wiedererkennen sind die Erlebnisformen der Geisteswelt.
So wie man die wahre Wirklichkeit seines Ich in der höheren Welt der ersten Hierarchie findet, so findet man dort auch die Wirklichkeit der physischen Welt in der wir leben.
Rudolf Steiner möchte so verstanden werden, dass es sich nicht um eine bloße Einteilung oder Gliederung handelt, wie man einen Sessel in Lehne Sitz und Beine gliedern kann. Das wäre reine Abstraktion und führt nicht in ein lebendiges Erkennen. Die Gliederung in physischer Leib, Ätherleib, Astralleib und Ich führt in ganz andere Welten.
Auf den nächsten Seiten bespricht Rudolf Steiner die Rezeption seiner Geheimwissenschaft von einem viel genannten Philosophen seiner Gegenwart. Daran wird deutlich, wie die Gegenwart die Geheimwissenschaft nur abstrakt aufnehmen kann, weil sie diese nur auf physische Verhältnisse bezieht und dadurch nicht versteht. Man kann das seelische und geistige nicht durch Schlussfolgerungen erkennen, sondern nur durch direkte Wahrnehmung einer Realität. Es gibt Naturforscher die schließen durch das Verhalten auf eine seelische Existenz. Wenn z.B. die Pflanze der Venusfliegenfalle in dem Moment, in dem sich eine Fliege hinein begibt zuschnappt, so schließen diese Naturforscher auf ein seelisches Verhalten. Rudolf Steiner vergleicht dieses Verhalten mit der einer Mausefalle, die sich auch schließt, wenn die Maus im Inneren vom Speck frisst. In dem Schließen von einer Wirkung auf die Ursache liegt kein Beweis.
Der Beweis würde in einem unmittelbaren erfahrbaren Erlebnis liegen.
Wenn man den physischen Menschen Leib so ansehen kann, dass er ein Abdruck und Ausdruck des geistig seelischen Menschen ist, so liegt das unmittelbar im Erfahrbaren.
Es wird der Vergleich gebraucht vom Siegellack und Petschaft: Das Siegel ist unmittelbarer Ausdruck der Form des Siegelrings. Es graben sich diese Formen als Spuren des Siegels in die Materie ein. In diesem Sinne müssen wir beim Menschen auf Spurensuche gehen, um auf die Wirklichkeit des Geistigseelischen im Zusammenhang mit dem Physischen zu kommen.
Zitat: Es muss eine innere menschliche Tat sein, sich vom Physischen in das Geistige hineinzufinden, nicht ein abstraktes Beweisen. Zur wahren Anthroposophie kommt man eben durch eine innere menschliche Tat, die aktiv das Erkennen weiterführt.